In einigen Anwendungsfällen kann es vorteilhaft sein, einzelne Dübel einer Gruppe in Langlöchern anzuordnen.

Wird zum Beispiel eine Befestigung durch eine Querkraft in Richtung eines Bauteilrandes beansprucht, dann wird der charakteristische Widerstand für Betonkantenbruch deutlich vergrößert, wenn die randnahen Dübel in Langlöchern positioniert werden (Bild 1a). Aber auch bei randfernen Befestigungen können sich Langlöcher positiv auf das Tragverhalten auswirken, weil dadurch zug- und querbeanspruchte Dübel voneinander getrennt werden können. Bild 1b zeigt ein Beispiel. In diesem Fall werden die beiden oberen Dübel durch reine Zugkräfte und die beiden unteren Dübel durch reine Querkräfte beansprucht. Nur bei großem Überstand der Ankerplatte wirken auf die unteren Dübel zusätzlich noch geringe Zugkräfte.

Bild 1a verdeutlicht die Vorteile von Langlöchern bei Betonkantenbruch am Beispiel einer Vierergruppe am Bauteilrand, deren randnahe Dübel in Langlöchern angeordnet sind und die durch eine Querlast senkrecht zum Bauteilrand belastet wird. Infolge der randnahen Langlöcher tritt Betonkantenbruch in der Ebene der hinteren Dübel auf, der wirksame Randabstand erhöht sich auf c = c1 + s1 und der charakteristische Widerstand steigt entsprechend an.

Bild 1a:

Bild 1b:

Neben Querlasten in Langlochrichtung können gleichzeitig auch Querlasten senkrecht zu den Langlöchern einwirken (vgl. Bild 2a). Wie im Folgenden gezeigt wird, kann dies bei randnahen Befestigungen (Bild 1a) zu Problemen führen. Deshalb erlaubt DesignFiX Querkräfte senkrecht zu Langlöchern nur bei randfernen Befestigungen (Bild 1b).

Randnahe Befestigungen mit Langlöchern und senkrecht zu diesen Langlöchern wirkenden Querkräften werden in den Bemessungsrichtlinien nicht behandelt. Folglich fehlen auch Hinweise, wie dann der Nachweis für Betonkantenbruch zu führen ist. Diese Aufgabe lässt sich unter Beachtung der Grundsätze über Verteilung und Größe der Querlasten nach ETAG 001, Anhang C bzw. TR 029, Abschnitt 4.2.2 lösen. Selbstverständlich sind dabei die Gleichgewichtsbedingungen zu erfüllen.

Bild 2a zeigt eine randnahe Vierergruppe, die durch eine gegenüber dem Bauteilrand geneigte Querlast beansprucht wird. Die beiden randnahen Dübel sitzen in Langlöchern.

Da der Betonkantenbruch sowohl in der Ebene der randnahen als auch der randfernen Dübel auftreten kann (der ungünstigere Fall ist für die Bemessung maßgebend), muss ein Doppelnachweis geführt werden. Beim ersten Nachweis wird Betonkantenbruch der randnahen Dübel angenommen (Bild 2b). Da sich randparallele Querlasten definitionsgemäß auf alle Befestigungselemente einer Gruppe verteilen, beträgt die einwirkende Querlast VEd = VEd,h/2. Wegen der Langlöcher wirkt keine Querlast senkrecht zum Bauteilrand.

Bild 2: Randnahe Vierergruppe unter einer geneigten Querlast
a) Geometrie und Belastung
b) Nachweis für Betonkantenbruch der randnahen Dübel
c) Nachweis für Betonkantenbruch der randfernen Dübel

Beim zweiten Nachweis wird angenommen, dass der Betonkantenbruch in der Ebene der randfernen Dübel auftritt (Bild 2c). Unter dieser Annahme liegen die beiden randnahen Dübel im Bruchkörper und können daher keine Querlast aufnehmen. Das bedeutet, dass alle parallel und senkrecht zum Bauteilrand wirkenden Querlasten allein von den beiden randfernen Dübeln übernommen werden müssen. Allerdings wirkt, wie Bild 2a zeigt, die randparallele Querlast VEd,h exzentrisch gegenüber dem Schwerpunkt dieser Dübel (e = s1/2) und das daraus resultierende Torsionsmoment T = VEd,hs1/2 muss aus Gleichgewichtsgründen bei der Bemessung berücksichtigt werden. Dadurch vergrößert sich im Beispiel in Bild 2 die einwirkende Querlast des rechten Dübels, während die auf den linken Dübel einwirkende Querlast geringer wird und bei großem Torsionsmoment sogar ihre Richtung ändern kann.

Die beschriebene Verteilung der einwirkenden Querlasten auf die einzelnen Dübel einer Gruppe entspricht guter ingenieurmäßiger Praxis. Umso erstaunlicher ist es, dass einige auf dem Markt erhältliche Bemessungsprogramme die Exzentrizität der randparallelen Querlast gegenüber dem Schwerpunkt der randfernen Dübel vernachlässigen und somit die Gleichgewichtsbedingungen verletzen. Der dadurch entstehende Fehler nimmt mit wachsenden Quotienten s1/s2 und/oder VEd,h/VEd,v zu. Außerdem verteilen die Programme die randparallele Querlast auch beim Nachweis für Betonkantenbruch der randfernen Dübel auf alle Dübel der Gruppe, obwohl die beiden randnahen Dübel im Bruchkörper sitzen und somit keine Querlasten mehr übernehmen können. Im folgenden Beispiel wird gezeigt, dass dieser Ansatz zu unsicheren Bemessungsergebnissen führen kann.

Bild 3 zeigt eine randnahe Vierergruppe mit Injektionsdübeln M10 (Stahlfestigkeitsklasse 5.8). Die Verankerungstiefe beträgt hef = 60 mm. Der Beton ist gerissen und normal bewehrt und entspricht der Festigkeitsklasse C20/25. Der Bauteilrand ist unbewehrt (keine Rand- und Rückhängebewehrung). Die Bauteildicke beträgt h = 200 mm.

Bild 3:

Bemessungsansatz 1:

Bedingungen für die Nachweise:

  • Betonkantenbruch in der Ebene der randfernen Dübel
  • Die randnahen Dübel befinden sich im Bruchkörper und nehmen deshalb keine Querlasten auf
  • Die Exzentrizität der randparallelen Querlast in Bezug auf den Schwerpunkt der beiden randfernen
    Dübel wird berücksichtigt
  • Die Gleichgewichtsbedingungen sind erfüllt

Unter diesen Annahmen betragen die Querlasten der beiden randfernen Dübel:

  • Linker Dübel:
    Vv = -2,50 kN (vom Bauteilrand weg gerichtet)
    Vh = 5,00 kN
    V = 5,59 kN
    ­
    ­
  • Rechter Dübel:
    Vv = 17,50 kN (zum Bauteilrand gerichtet)
    Vh = 5,00 kN
    V
    = 18,20 kN

Nachweise:

  • Stahlversagen:
    VSd > VRk,s / γMs
    18,20 > 15,00/1,25 = 12,00 →  Ausnutzung: 152 %
    ­
    ­
  • Pry-out → Da die Querlast innerhalb der Gruppe ihre Richtung ändert, wird der Nachweis für den ungünstigsten Dübel der Gruppe geführt (ETAG 001, Anhang C bzw. TR 029, Abschnitt 5.2.3.3):
    VSd > VRk,cp / γMcp
    18,20 > 24,19/1,50 = 16,13 → Ausnutzung: 113 %
    ­
    ­
  • Betonkantenbruch:
    VSd = (17,50² + 10,00²)0,5 = 20,16 kN
    VSd < VRk,c / γMc
    20,16 < 75,74/1,5 = 50,49 → Ausnutzung: 40 %

Schlussfolgerung:
Die Tragfähigkeit der Gruppe ist zu gering. Die Bemessungswerte der Widerstände für die Versagensarten ‚Stahlversagen‘ und ‚Pry-out‘ (rückwärtiger Betonausbruch) sind kleiner als die Bemessungswerte der Einwirkungen. Lediglich der Widerstand für Betonkantenbruch ist ausreichend. Dies belegt die positiven Auswirkungen der Langlöcher.

Vernachlässigt man – wie einige auf dem Markt erhältliche Bemessungsprogramme – beim Betonkantenbruch in der Ebene der randfernen Dübel die Exzentrizität der randparallelen Querlast und weist den beiden randnahen Dübeln ihren Anteil an der randparallelen Querlast zu, obwohl sie im Betonkantenbruchkörper liegen, dann ergibt sich ein vollkommen anderes Bild (siehe Bemessungsansatz 2):

Bemessungsansatz 2:

Bedingungen für die Nachweise:

  • Betonkantenbruch in der Ebene der randfernen Dübel
  • Obwohl sich die randnahen Dübel im Bruchkörper befinden, nehmen sie Querlasten auf
  • Die Exzentrizität der randparallelen Querlast in Bezug auf den Schwerpunkt der beiden
    randfernen Dübel wird nicht berücksichtigt
  • Die Gleichgewichtsbedingungen sind nicht erfüllt

Nachweise:

  • Stahlversagen:
    VSd = (15,00² + 5,00²)0,5/2 = 7,91 kN
    VSd < VRk,s / γMs
    7,91 < 14,50/1,25 = 11,60 → Ausnutzung: 68 %
    ­
    ­
  • Pry-out:
    VSd = (15,00² + 5,00²)0,5 = 15,81 kN
    VSd < VRk,cp / γMcp
    15,81 < 48,91/1,50 = 32,61 → Ausnutzung: 48 %
    ­
    ­
  • Betonkantenbruch:
    VSd = (15,00² + 5,00²)0,5 = 15,81 kN
    VSd < VRk,c / γMc
    15,81 < 56,41/1,5 = 37,61 → Ausnutzung: 42 %

Schlussfolgerung:
Die Vernachlässigung der Exzentrizität der randparallelen Querlast und damit die Missachtung des Gleichgewichts der Kräfte kann zu unsicheren Bemessungsergebnissen führen. Es entsteht der Eindruck, dass die Tragfähigkeit der Befestigung rechnerisch ausreicht, was jedoch bei korrekter Berücksichtigung der Lastexzentrizität nicht stimmt (vgl. Bemessungsansatz 1).

Die International Federation for Structural Concrete (fib), eine internationale Vereinigung zu Fragen des Stahl- und Spannbetonbaus, hat eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit Befestigungstechnik beschäftigt (Special Activity Group SAG 4: Fastenings to Structural Concrete and Masonry Structures). Ihr gehören Experten aus vielen Ländern an. Sie gilt als anerkannte Instanz für alle Fragen der Bemessung von Befestigungen. Die Ergebnisse der langjährigen Arbeit dieser Gruppe sind in einem umfangreichen Bericht zusammengefasst, der den derzeitigen Stand der Technik enthält (International Federation for Structural Concrete (fib): Design of Anchorages in Concrete. Bulletin 58, Lausanne, 2011). Wie in ETAG 001 werden auch im Bulletin 58 keine Querlasten senkrecht zu Langlöchern behandelt, allerdings wird ein vergleichbarer Anwendungsfall beschrieben: Die Verteilung einer randparallelen Querlast auf die Dübel einer randnahen Sechsergruppe, wobei der Bruchriss entweder durch die vordere, die mittlere oder die hintere Dübelreihe verläuft (Bild 4).

Verläuft der Bruchriss durch die vorderen (randnahen) Dübel (Bild 4b), dann beträgt die Querlast VEd = 2 ∙ (VEd,h/6). Die Querlasten der übrigen vier Dübel brauchen beim Nachweis für Betonkantenbruch nicht berücksichtigt zu werden, weil sie hinter dem Bruchriss wirken (vgl. ETAG 001, Anhang C und TR 029, Bild 4.7).

Verläuft der Bruchriss durch die mittlere Dübelreihe (Bild 4c), dann verteilt sich die randparallele Querlast gleichmäßig auf die verbleibenden vier Dübel. Zusätzlich ist der Torsionsanteil VEd,T zu berücksichtigen, der sich aus der Exzentrizität der Querlast VEd,h gegenüber dem Schwerpunkt der vier Dübel ergibt. Der Nachweis für Betonkantenbruch erfolgt für die randparallele Querlast der beiden Dübel im Bruchriss VEd = 2 ∙ (VEd,h/4) zuzüglich der Lastanteile aus Torsion, die in Richtung des Bauteilrandes bzw. parallel zum Rand zeigen. Vom Rand weg gerichtete Querlastkomponenten dürfen beim Nachweis für Betonkantenbruch vernachlässigt werden (ETAG 001, Anhang C, Bilder 5.8 und 5.9 bzw. ETAG 001, TR 029, Bilder 5,9 und 5.10).

Verläuft der Bruchriss durch die hinteren (randfernen) Dübel (Bild 4d), dann verteilt sich die randparallele Querlast gleichmäßig auf die verbleibenden zwei Dübel. Außerdem ist wiederum der Torsionsanteil VEd,T infolge der Exzentrizität der Querlast VEd,h gegenüber dem Schwerpunkt der beiden randfernen Dübel anzusetzen. Der Nachweis für Betonkantenbruch erfolgt für die randparallele Querlast der Dübel im Bruchriss VEd = 2 ∙ (VEd,h/2) zuzüglich der Lastanteile aus Torsion, die in Richtung des Bauteilrandes zeigen.

Die Lastverteilung in Bild 4 bestätigt die Richtigkeit des Bemessungsansatzes 1.

Bild 4:  Verteilung einer randparallelen Querlast auf die Dübel einer Sechsergruppe (nach: International Federation for Structural Concrete (fib): Design of Anchorages in Concrete. Bulletin 58, Lausanne, 2011)
a) Geometrie und Belastung
b) Betonkantenbruch der randnahen Dübelreihe
c) Betonkantenbruch der mittleren Dübelreihe; VEd,T = (VEd,hs1/2) / (2 ∙ (s1² + s2²)0,5)
d) Betonkantenbruch der randfernen Dübelreihe; VEd,T = VEd,hs1 / s2

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Diese Demoversion ist primär für Ankerhersteller und Händler konzipiert und enthält das Produktsortiment einer virtuellen Firma mit der Bezeichnung Your Company. Die Demoversion enthält mechanische und chemische Anker, die nach ETAG 001, Anhang C, TR 029 und TR 045 bemessen werden. Weitere Informationen zum Thema: Installation und Systemvoraussetzungen.